Ok. Also… nochmal von vorn. Ja, Alex‘ Slomo-Heferosinen-Pizzateig ist toll. Wirklich. Er schmeckt und macht Blasen und verbraucht obendrein ein designiertes Abfallprodukt. Aber genauso braucht er Planung. Und Erfahrung im Handling weicher Teige. Beides, in manchen Momenten: gefährlich. Außerdem, und das ist vielleicht das Entscheidende, ist er halt kein Sauerteig.
Meinen allerersten zog ich mir nach einem Urlaub in den Niederlanden, wo partout kein Brot zu bekommen war, das unseren Vorstellungen entsprach. Woraufhin ich, die ich bis dato – Verzeihung – wesentlich kleinere Brötchen gebacken hatte (Verzeihung!), beschloss, es besser zu machen. Ohne Hefe – mit nichts als Mehl, Wasser und Salz.
Nun, sieben Jahre und viele, viele Fehler Erfahrungen später, kann ich zwar nicht behaupten, dass ich „es“ könnte. Aber ich habe inzwischen zumindest eine Idee davon, was gutes Gebäck ausmacht. Eine (zu) dominante Säure ist es nicht, weshalb sogar ich inzwischen versuche meine Teige entsprechend zu führen. Das klappt mal besser, mal schlechter. Nur an einer Stelle gar nicht: bei Pizza.
Von einer guten Pizza erwarte ich einen Teig mit Konsistenz und Geschmack. Einen, der beim Backen Blasen wirft und auch pur verzehrbar wäre. Lange dachte ich, dass es dazu viel Zeit und noch mehr Feuchtigkeit braucht – Zeit für den Geschmack, Feuchtigkeit für all die Blasen.
Nur: Das ist Quatsch. Im Gegenteil: Andersherum wird ein Schuh draus – und Steffi könnte sicherlich kann erklären, warum. Sie setzt für Pizza auf einen festen, „süßen“ Sauerteig, der so mild ist, dass man ihn, wenn man es nicht besser wüsste, glatt überschmecken könnte – wäre da nicht doch diese Tiefe. Trotz (oder wegen?) seiner geringen Teigausbeute ist er wahnsinnig triebstark, weshalb ihm vergleichsweise wenig Vorlauf genügt, um sich im Ofen aufzuplustern. Und das alles mit stinknormalem 550er Mehl.
Alles, was es dazu braucht, ist ein aktiver Starter, den man sich entweder aus einem bestehenden, mit TA 200 geführten Anstellgut umerziehen kann oder von Grund auf ansetzen.
Und, kleiner Exkurs: Warum süßer Starter und nicht Lievito Madre? Ich zitiere Steffi:
Lievito madre ist im Ursprung her erstmal „nur“ ein Sammelbegriff für Weizensauerteige. In Italien kann ein Lievito madre sowohl ein weich geführter Weizensauerteig sein, als auch ein fest geführter Weizensauerteig. Auch die Führungsweisen können sich stark unterscheiden. Mit süßem Starter ist ganz klar umrissen, welche Führungsart damit gemeint ist.
Stefanie Herberth, Hefe und Mehr
Noch genauer wäre es in meinen Augen, schlicht von einem festen Starter TA 150 zu sprechen, denn dezidiert süß, d. h. mit kleiner Zuckerbeigabe geführte feste Anstellgüter gibt es außerdem, s. z. B. hier beim Brotpoeten.
Anyway – unser Pizzateige-Highscore sieht damit so aus:
- Mit Festem Starter/Lievito Madre nach Kerstin/Cooking Affair: Liebling seit April 2021. Einfache Verarbeitung, toller Geschmack, Blasengarantie. Am besten nach 50 Stunden Reife. TA 164.
- Mit Süßem Starter (s. u.) nach Stefanie Herberth/Hefe und Mehr: Gut zu händeln, geringer Vorlauf, grandiose Blasen, TA 155.
- Mit Heferosinen-Biga nach Alex/Brotokoll: wesentlich weicher & mit längerem Vorlauf, geschmacklich am besten nach 48 h im Kühlschrank, TA 170.
- Di Grano Duro nach Lutz Geißler: ebenfalls eher weich, geschmacklich sehr solide, TA 160.
- Mit Sauerteig nach use real butter. Eher weich, geschmacklich solide, TA 168.
- Wenn’s wirklich schnell gehen soll: Quick Fix nach Lutz Geißler, TA 165.
Die ersten drei sind übrigens ob ihrer festen Vorteige durchaus verwandt, nur die Teigausbeuten unterscheiden sich erheblich (TA 150 = eher fest und gut zu verarbeiten, TA 170 = deutlich weicher und entsprechend kapriziöser).
Am Beläge-Treppchen hat sich hingegen nichts geändert:
- Spring Cream Pizza („die Grüne“)
- Pizza bolognese
- Pizza carbonara
- Pizza bordelaise
- Breakfast Pizza mit Bacon & Ei
Außer Konkurrenz: Die Vampire Slayer Vegan White Pizza. Mega!
Außerdem: meine persönlichen und möglicherweise unvollständigen Tipps, wie man einem 0815-Einbauküchen-Ofen manierliche Pizza abtrotzt
Ofentemperatur: Gib alles! Wirklich. Dreh das Ding bis Anschlag auf und heize im oberen Drittel des Ofens einen Backstein aus Schamott mit. Wer keinen hat: Ein umgedrehtes Blech oder sog. Pizza Steel tun’s auch. Nein, das ist nicht klimafreundlich. Darum versuche ich wenigstens das Vorheizen mit Umluft zu erledigen (ca. 30 Minuten) und dann zum Backen auf Oberhitze bzw. Grillfunktion zu wechseln.
Aufarbeiten I: Idealerweise geschieht die Stückgare der rund gewirkten Teiglinge im Kühlschrank, von wo man sie vor dem Backen nur noch auf eine bemehlte Arbeitsfläche setzen muss. Bei eher weichen Teigen habe ich das noch nie geschafft, die so aufzuarbeiten, dass sie auch nach ausgedehnter Gehzeit nicht die Fassung verlieren und aus- und ineinanderlaufen. Ist das der Fall, nimmt man den Teig ca. eine Stunde vorm Backen aus der Kühlung, wiegt die Teiglinge ab, wirkt sie vorsichtig und ohne zu viel wertvolles Gas herauszudrücken abermals rund und lässt sie abgedeckt und gut bemehlt rasten.
Aufarbeiten II: Vor dem Backen hebt man einen Teigling entweder auf einen gut mit Grieß bestreuten Teigschieber oder umweltunfreundlicher auf ein leicht bemehltes Stückchen Backpapier. Letzteres schadet vielleicht dem Klima, schont aber insbesondere bei weicheren Teigen die Nerven. Glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche. Um den Teig gut ausziehen zu können, drückt man seine Finger ringsherum sanft im Abstand von ca. anderhalb Zentimetern zum Rand in den Teigling. Den Teig an dem so entstandenen Wulst leicht anheben, ein wenig dehnen und dies rundherum wiederholen, bis der Pizzaboden die gewünschte Größe erreicht hat.
Belegen: Wer’s klassisch mag, verstreicht zuerst ein wenig eingedickte Passata (= für zwei Pizzen ca. 125 g Passata in einen Topf geben, salzen, erhitzen und ca. 8 Minuten einkochen) und würzt mit getrocknetem Oregano. Anschließend guten Mozzarella und dann erst alles andere – Pilze, Paprika, Schinken, Ei. Wichtig: Weniger ist hier mehr! Alternativ empfehle ich diese Beläge: Spring Cream, Bolognese & Carbonara.
Backen: Einschießen, Oberhitze nicht vergessen und backen, bis die Ränder gebräunt sind und der Belag munter blubbert. Meine Pizzen brauchen dazu bei guter Vorheizleistung und unterm Grill um die 8 Minuten.
Pizzateig mit festem Starter I nach Stefanie Herberth
Vorbereitungszeit 30 Minuten
Zubereitungszeit 10 Minuten
Rastezeit 22 Stunden
Portionen 2 Pizzen
ZUTATENBIGA
HAUPTTEIG
SO GEHT’S
NOTIZENnach Hefe und Mehr Zum Pizzateig: Unser absoluter Lieblingspizzateig ist inzwischen der Neapolitanische Teig der Gebrüder Tortora. Der hier aufgeführt von S-Küche ist allerdings auch toll. Wer festen Sauerteig-Starter hat, kann sich an dem Teig nach Cookingaffair. bzw. Stefanie Herberths oben stehender Pizzateig mit Süßem Starter TA 150 versuchen. Der Slo-Mo-Hefewasser-Pizzateig ist ähnlich gut, braucht jedoch vier bis fünf Tage Vorlauf. Wer keinen Süßen Sauerteig bzw. Hefewasser hat, greift auf den Pizzateig di grano duro nach Lutz Geißler mit normaler Hefe zurück. Wenn es schnell gehen muss, gäbe es noch einen Quick-Fix, ebenfalls nach Lutz Geißler. Und die Experimentierfreudigen unter Euch nehmen Pizzateig mit Sauerteig TA 200. Meine Tipps fürs Pizzabacken in der 0815-Einbauküche findet ihr hier » |