Hätte man meinem 16-jährigen Ich in jenem Moment, da es sich in eine Turnhalle gepfercht einer Abordnung Dudelsackspieler gegenüber sah, die planvoll daran zu arbeiten schien, an den versammelten Trommelfellen bleibende Schäden zu hinterlassen, erklärt, dass es das, was da am anderen Ende des Raumes unförmig und unvorteilhaft glänzend aufgebahrt lag, etwa zehn Jahre später zur Delikatesse schlechthin erklären würde – ich hätte darum gebeten, mich zu kneifen oder ohrzufeigen, auf dass ich aufwachen und dieser schottische Alptraum ein Ende haben möge.
Jedoch: So war es. Damals, auf meiner allerersten Reise mit dem städtischen Jugendorchester habe ich das am Willkommensabend offerierte Haggis nicht angerührt (allerdings war ich damals auch noch Vege- bzw. Pescetarierin). Eine Dekade später allerdings, als Freunde aus Schottland welches mitbrachten und schwörten, dass diese optisch und olfaktorisch herausfordernde Masse hochgradig genießbar wäre, probierte ich. Und ließ Besuche in oder aus UK anschließend nur noch unter Ex- bzw. Import von ausreichend Haggis zu (Was einmal zu der skurillen Situation geführt hat, dass ich mein komplettes Handgepäck vor den schottischen Zollbeamten ausbreiten durfte, damit sie das eine suspekte Objekt inspizieren konnten – eine Dose Nationalgericht.). Weil das wegen des Brexits künftig nicht mehr so einfach sein dürfte, haben wir vor einiger Zeit vorgesorgt und einen kleinen Vorrat angelegt. Der steht jetzt als eiserne Ration im Keller und wird nur zu besonderen Anlässen bemüht (andere lagern Wein, wir Haggis in Dosen).
Alles vom Schaf. Alles.
Und nur, dass wir uns richtig verstehen: Wir sprechen hier von Schafsleber, -herz und -lunge, die gekocht und kleingeschnitten zusammen mit Nierenfett, Hafermehl und Zwiebeln in den sorgfältig ausgespülten Magen des Tiers gestopft, kräftig gewürzt und vernäht werden. So zumindest das traditionelle Vorgehen, das weiterhin die Begleitung durch Steckrüben und Kartoffeln („neeps and tatties“) vorsieht. Ursprünglich diente die Zubereitung zur Verwertung schnell verderblicher Schlachtabfälle, inzwischen lesen sich die Zutatenlisten der kommerziell verfügbaren Haggises etwas gemäßigter. Unser bislang favorisierter Hersteller Grants beispielsweise verwendet offenbar nur Schafslunge, Hafer, Schmalz und ein paar Gewürze. Kann man prinzipiell sogar selber machen, allerdings habe ich das noch nie probiert. War ja immer was da.
Bislang aßen wir unser Haggis recht ursprünglich mit Kartoffel- und – in häufiger Ermangelung von Steckrüben – Karottenstampf sowie einem Whisky-Sahne-Sößchen, was in Kombination keinesfalls zu verachten ist. Allerdings gelüstete mich mit der Zeit nach Abwechslung, die zunächst die Aufbringung auf Pizza vorsah (s. unten) und mich anschließend vor die Frage stellte, was aus den Resten werden soll. Nach einer Recherche unter Berücksichtigung der Vorratslage entschied ich mich für eine Kreuzung aus Shepherd’s Pie und stinknormalem, wie man ihn in vielen Bäckereien oder Pubs bekommt.
So auch im Café Braw in Edinburgh, das bei unserem Besuch der erste und einzige Breakfast- und Teatime-Spot bleiben sollte, weil Inhaberin Mel nicht nur eine Seele von Mensch ist, sondern obendrein ihre Porridges, Sandwiches, Cakes und Scones beherrscht.
Ihr Pie-Teig beispielsweise ist sensationell flaky und rich. Ich orientierte mich darum an Sarah Owens‘ „grobem“ Sauerteigblätterteig, der ähnlich gute Optik- und Geschmacksnoten versprach, und pimpte mit Whisky statt Wodka.
Der aus der Glengoyne-Distillery bei Killearn ist übrigens toll. Mein Favorit: der 18-Jährige, derweil der Mann den 12-Jährigen vorzieht. Und so eine Führung mit Tasting lohnt sehr – hicks!
Und bevor ihr nun ähnlich trunken von so viel Text aus dem Internet wankt, um wahlweise Pizza und/oder Pie zu verfertigen: Lest oder schaut vorher noch kurz in „The Address to a Haggis“ des schottischen Nationaldichters Robert Burns (u. a. „Auld Lang Syne“), das jährlich während des „Burns Supper“ am 25. Januar rezitiert wird. Mitunter in Begleitung eines (einzelnen) Dudelsackspielers übrigens…
Haggis Pie mit Whisky-Pie-Crust
Vorbereitungszeit 45 Minuten
Zubereitungszeit 30 Minuten
Rastzeit 2 Stunden
Portionen 3 Portionen
ZUTATENPIECRUST MIT FESTEM STARTER*
PIECRUST MIT ASG TA 200*
KARTOFFELSTAMPF
HAGGIS-FÜLLUNG
AUSSERDEM
SO GEHT’S
NOTIZEN*Wer keinen Sauerteig hat, nimmt die zweite Teigvariante und dort je 25 Gramm mehr Mehl und Wasser. Piecrust frei nach Sarah C. Owens „Sauerteig” Pie sehr frei nach Love Food Hate Waste |
Haggis-Pizza mit Kartoffeln und Whisky-Tomaten- oder Whisky-Sahne-Sauce
Vorbereitungszeit 10 Minuten
Zubereitungszeit 15 Minuten
Portionen 2 Pizzen
ZUTATENBELAG ROT
BELAG WEISS
PIZZATEIG, s. u.SO GEHT’S
NOTIZENRoter Belag nach Ooni, weißer Belag: Eigenkreation Zum Pizzateig: Unser absoluter Lieblingspizzateig ist inzwischen der Neapolitanische Teig der Gebrüder Tortora. Der hier aufgeführt von S-Küche ist allerdings auch toll. Wer festen Sauerteig-Starter hat, kann sich an dem Teig nach Cookingaffair. bzw. Stefanie Herberths Pizzateig mit Süßem Starter TA 150 versuchen. Der Slo-Mo-Hefewasser-Pizzateig ist ähnlich gut, braucht jedoch vier bis fünf Tage Vorlauf. Wer keinen Süßen Sauerteig bzw. Hefewasser hat, greift auf den Pizzateig di grano duro nach Lutz Geißler mit normaler Hefe zurück. Wenn es schnell gehen muss, gäbe es noch einen Quick-Fix, ebenfalls nach Lutz Geißler. Und die Experimentierfreudigen unter Euch nehmen Pizzateig mit Sauerteig TA 200. Meine Tipps fürs Pizzabacken in der 0815-Einbauküche findet ihr hier » |
PS: Glückwunsch, wenn Du es bis hierhin durchgehalten hast ?! Vielleicht interessiert Dich noch, dass alle Verlinkungen im Beitrag keine Werbung sind, sondern persönliche Erfahrungen und Empfehlungen.
Der Pieteig sieht wirklich hervorragend aus! Haggis reizt mich allerdings immer noch nicht – hatte bisher auch nur bei einer Burn’s Night viele, viele Jahre zuvor die Gelegenheit – ich habe während der Erlanger Zeit in einer Scottish Country Dance Gruppe getanzt, da waren wir irgendwie Programm-Belustigung ;).
Zu Schottland an sich würde ich aber sehr laut Ja sagen!
Liebe Grüße, Kathi
Ich kann niemandem verdenken, wenn sie/er die Sache lieber aus der Ferne begutachtet. Ging mir ja lange nicht anders. Überdies hat es den Vorteil, dass ich weniger teilen muss ?. Aber das mit dem Fernweh ist schlimm, oder? Und der Teig funktioniert sicher auch mit jedem anderen Belag.
Herzlich: Charlotte
Wie SCHICK das hier geworden ist!
Und dein Post ist ja wie ein Artikel in einer Hochglanz-Zeitschrift! Ich bin ganz beeindruckt ;)!
Waaah, Micha, ich mache alles wieder rückgängig! So hochglanzig sollte das gar nicht werden! Aber am alten Theme-Hack hat mich irgendwann so viel genervt, das ich mit meinen beschränkten Kenntnissen nicht fixen konnte, dass ich lieber mal in was „Ghöriges“ investiert habe, wie der Vorarlberger sagt. Ist auch noch nicht alles ganz so wie ich’s gern hätte, aber ein ganz anderer Schnack.
Sehr herzlich: Charlotte