Okay: Das mit den Nahttaschen habe ich selbst verbockt. „Nur noch eben schnell“ ist schließlich eigentlich das Zeichen zum Aufhören und nicht das, um im Affenzahn in französische Nähte zu rasen. Sagen wir: Das punktuelle Auftrennen, weil ich nicht auf Passigkeit der Abschlüsse und Liegerichtungen der bereits gemachten Nähte geachtet habe, war alles andere als spaßig. Aber: das war das einzige – der Rest geht aufs Konto von Burda.
Und da gab es doch manches: Beispielsweise einen Untertritt, der so dimensioniert ist, dass man ihn genau nicht passig und bündig auf den Nahtkanten der vorderen Blenden platzieren kann, sondern irgendwie grob ’nen halben Zentimeter einrücken muss, damit vorne alles einigermaßen hinhaut. Wa-rum?! Warum, zur Hölle, konstruiert man so? Oder die Kragenbelege: Weshalb enden die anderthalb Zentimeter vor dem hinteren Mitte, sodass man den Rest unbelegt mit anderweitigen Versäuberungen überbrücken muss (sofern man rechtzeitig dran denkt)? Das ist doch – ’scuse my French – scheiße! Dass die Belege an den Armlöchern dagegen dank Nahtzugabe genug Spiel ließen, um sie auf einen Durchmesser erweitern zu können, der nicht nur Puppenarmen genügt, war immerhin positiv.* Weshalb am Schluss aber der Ausschnitt partout nicht glatt fallen wollte, sondern – scheinbar aufgrund von viel zu viel Material ab Schulternaht – grotesk abstand, habe ich wieder nicht verstanden.* Mein Behelf in Form von „irgendwie auf Maß einfalten und per Hand blind festnähen“ mag unkonventionell sein, but it did the trick. Zumal das entstandene geometrische Muster dem Ganzen etwas latent Art-deco-haftes verleiht, finde ich, und damit durchaus zum Rest passt. Einen gewissen Herrn erinnerte das Gesamtergebnis dennoch an einen ordinären Kittel, aber da meine Oma just diese mit viel Hingabe getragen hat, ist das eher Auszeichnung als Makel.
Weshalb ich es trotz solcher Erlebnisse – passiert mir mit Burda schließlich nicht zum ersten Mal – trotzdem immer wieder versuche? J’sais pas. Immerhin helfen die so gesammelten Erfahrungen dabei, improvisierend auch ein derart störrisches Projekt zu einem ansehnlichen Ende zu bringen. Denn: Ich mag das Resultat. Es sitzt (recht) gut und angenehm locker, es hat seine Besonderheiten in Form der Blenden und dem doppelten Oberteil und ich denke, es wird seinen Platz in meiner Sommergarderobe finden.
Der Stoff ist übrigens Rest einer Bio-Baumwoll-Bettwäsche, die ohne mein Zutun ihren Weg in diesen Haushalt gefunden hat und die ich schon vor Jahren überfärbt habe, weil mir das ursprüngliche Blassbraun überhaupt nicht gefiel. Der entstandene Farbton ist mir persönlich zwar ein My zu weinrot, aber vielleicht gewöhne ich mich noch dran. Sonst versuche ich es mit einer weiteren Überfärbung. Immerhin hat die Menge nach Abzweigungen für andere Projekte noch genau gereicht (außer für die Taschen, die allerdings schnittmusterseits auch gar nicht vorgesehen waren, aber ein Kleid braucht halt welche – und für sowas hat man ja einen Restefundus. Man kann darum, wenn man mag, alte Bekannte wiederentdecken).
*Und dank Regina (s. Kommentare) weiß ich jetzt, dass doch auch die Sache mit den Ärmeln und Schultern auf mein Konto geht. Wer Stoffe mit klarer Vor-/Rückseite benutzt (oder diese konsequenter kennzeichnet) ist im Vorteil. Also: neuer Erfahrungswert 😅!
Schnittmuster: Hängerkleid #116 04/2016 nach Burda, Gr. 40.
Änderungen: Saum um 1,5 cm verlängert, Armausschnitte um ca. 1,5 cm vergrößert, Nahttaschen eingesetzt, Schulterstück verdoppelt und als Burrito vernäht (auch, wenn’s später egal war), genähte Verschlusschlaufe statt Garnschlaufe.
Verarbeitung: Versäuberung wo vorgesehen mit Belegen, wo möglich französisch (= vor allem Seitennähte), sonst: Overlock.
Stoff: überfärbte Bio-Baumwollwebware, die mal ein Bettbezug war, Taschen: Reste.
Ab zum Me Made Mittwoch!
Das Kleid ist sehr hübsch von der Farbe her. Auch die Form kommt doch hin. An der Schulter hast du den Untertritt falsch herum gelegt. Die Spitze muss am Armloch nach unten zeigen, die kurze Seite gehört an den Halsausschnitt. Die Kürze des Belegs in der hinteren Mitte könnte vielleicht darauf hindeuten, dass wenn ein Reißverschluss eingenäht werden soll, dieser dann frei bleibt? Oder man sollte zuerst vorderen und hinteren Halsbeleg zusammensetzen und dann einnähen. Kann ja auch sein, dass die Belegschulternaht gegenüber der Kleidschulternaht verschoben ist, damit das Ganze an der Stelle nicht zu dick wird. (Was ich jedoch eigentlich noch nicht erlebt habe.) Meistens klärt sich alles auf irgendwie! Viel Freude am Kleid! Regina
Liebe Regina, hab vielen Dank für Deinen Kommentar.
Allerdings gibt es da, glaube ich, ein Missverständnis: Die Schulter(passe) sieht auf dem Foto so aus wie sie aussieht (= so, als hätte ich die Teile falsch herum verbunden), weil ich dort nach dem kompletten Fertigstellen nochmal eingeklappt und mit der Hand festgenäht habe, da der Ausschnitt sonst überhaupt nicht so liegen wollte wie erhofft. Vorher habe ich pingeligst drauf geachtet, dass alles schnittmusterkonform zusammengesetzt wird und mich x mal anhand Nahtzahlen etc. rückversichert. Ich fürchte also, ausnahmsweise lag der Fehler nicht bei mir.Und sorry für die Konfusion: Jetzt, nach einer Nacht des Schlafes, ahne ich, dass Du den Fehler gefunden hast. Vielleicht habe ich nahtzahltechnisch alles schon richtig verarbeitet, aber dabei die Seiten vertauscht. Das würde definitiv auch die Sache mit dem Ausschnitt und den Armlöchern erklären! Das hat man davon, wenn man einen Stoff wählt, dessen Innen- und Außenseite nicht so gut zu unterscheiden sind…😅. Vielleicht muss ich es also nochmal mit dem Schnitt versuchen.Herzlich: Charlotte
Wenigen ist es zu eigen, ein Kittelkleid in die Moderne holen zu können. Dir auf jeden Fall. Sehr spannend, danke fürs Zeigen! Bettwäsche ist bei mir auch beliebt, diese Stoffe werden mit jeder Wäsche besser.
Grüße, Tina
Danke Dir, liebe Tina! Lustigerweise erwäge ich gerade sogar die Anschaffung eines Bettwäsche-Designs eigens zum Nähen… 😅
Herzlich: Charlotte
Nahttaschen und Französische Naht, jedesmal wieder eine Herausforderung, die ich noch nicht zufriedenstellend gemeistert habe. Der von dir gewählte Schnitt ist mir auch schon mal aufgefallen, dann aber wieder verworfen worden. Denn an mir sieht sowas definitiv nach Kittelschürze aus. Und das weckt unschöne Erinnerungen an den Hausfrauen-Einheitslook meiner Kindheit im Dorf. Du hingegen rockst den Look. Vor allem in dieser Farbe.
Liebe Grüße, heike
Danke, liebe Heike! Tatsächlich hatte ich mit französischen Nähten und Nahttaschen schon Glück, u. a. bei diesem Kleid. Allerdings habe ich da nicht auch bereits das Anbringen der Taschnbeutelteile „französisch“ erledigt, sondern quasi nur die Endnaht. Vielleicht kehre ich künftig dahin zurück…
Herzlich: Charlotte
Das klingt nach einem sehr frustrierten Nähprozess. Aber wie schön, dass dennoch ein tolles Ergebnis herauskam und du hier sogar schon eine Lösung erhalten hast. Dafür ist der MMM doch immer wieder toll.
LG Miriam
Liebe Miriam, bitte verzeih die urlaubsbedingt späte Reaktion! Danke für Deine Nachricht – ja, es war wieder ein Projekt mit Lerneffekt. Mag ich ja durchaus 🙃.
Alles Liebe, Charlotte
Hallo! Du hast ein sehr interessantes Kleidermodell entworfen, es scheint sehr praktisch zu sein. Ich würde jetzt im Herbst gerne eine Wolljacke dazu tragen, ich denke, das würde zusammen gut aussehen.