Ich hätte nur nachgeben müssen – nur auf dieses kleine, leise Stimmchen hören. Das da flüsterte: “Lass ihn! Lass den Teig einfach noch ruhen. Der kann noch! Nur keinen Stress…”
Aber nachdem die Geduld hier tagelang hatte schalten und walten können – mit ihrem Rosinen-Vorteig und -Vorvorteig und Vorvorvorteig – dachte ich, dass es nun wirklich mal lange. Zumal: Wohin sollte sich der Teig auch groß entwickeln, mit dem Gewicht all der Butter und der Nüsse und Früchte?
Nun: Keine zehn Minuten später ahnte ich, dreißig Minuten später wusste ich, dass sich das Stimmchen verdammt nochmal ein Megaphon zulegen sollte. Denn: Die auf Heferosinen umtrainierten Premium-Stollen waren alles, nur nicht das – Premium oder gar(er) Stollen. Schwere, klitschige Klumpen von ungesunder Blässe lagen vor mir am Blech (s. u.). Und statt des Stimmchens hatte ich nun vernehmlich meine Mutter im Ohr, die erklärte, man solle das mit den Christkuchen getrost den Profis überlassen. Was mein Vater nur bekräftigen konnte, schließlich hatte seine Verwandtschaft die vorbereiteten Teige einst eigenhändig in die Dresdener Bäckerei geschleppt…
Jedenfalls: Fail, epischer Güte. Und mein ressourcenschonendes Herz blutete ob all der Dinge, die da verwirkt und verloren vor mir lagen! Das handgemachte Orangeat! Die Gutebutter! Nüsse, Früchte…!
Wütend pinselte ich das finale Milchfett über die Laibe und bestreute bewarf sie dick mit Zucker. Geändert hat das natürlich nichts: Nach einer Nacht am Balkon waren die Stollen noch genauso flach und genauso matt wie am Tag zuvor. Nur hörte ich wieder so ein Stimmchen: Was, wenn man das Ganze einfach nochmal büke? Also, aufgeschnitten in feine Scheibchen? Klappt das bei Cantuccini bzw. mit My Feldts Zimtschnecken nicht auch?
Und was soll ich sagen? Die Doppelbackung entpuppte sich als Eingebung schlechthin! Nicht nur sind diese goldbraun geränderten Kekse erstaunlich hübsch; ihr ausdrückliches Stollenaroma wird überdies um feine Röstnoten sowie angenehme Knusprigkeit ergänzt.
Also: Für den Fail… äh: Fall, dass meine Küche nicht die einzige ist, die solche Kataströphchen kennt: Hinfallen, aufstehen, Scheibchen schneiden, weiterbacken. Wahlweise alten, übrigen oder miesen Stollen zu dieser Art Zwieback verarbeiten (wenn man es nicht schon mit Astrids Stolleneis oder dieser Torte versucht hat).
Stollenzwieback
Vorbereitungszeit 5 Minuten
Zubereitungszeit 20 Minuten
ZUTATEN
SO GEHT’S
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Liebe Charlotte – ich leide mit dir! Ich hatte heuer so ein Erlebnis bei einem Kokos Konfekt, den ich genau nach Rezept zusammengemischt habe und schon beim Mischen dachte: Dat kann nix werden… Wurde dann aber sogar der erklärte Liebling meiner Tochter auf dem Gebäckteller, nachdem ich alles nochmal zusammengematscht, in den Mixer geschmissen, tiefgekühlt, in Stücke und Kuvertüre drumherum… Besagter Zeitschrift, die dieses Rezept sogar als Titelbild brachte, habe ich erbost (damals lag die Masse noch zum Kühlen im TK) geschrieben. Online wurde daraufhin das Rezept geändert. Eine Rückmeldung bekam ich jedoch nie. Insofern steht mein Kommentar da wie der einer Schwachsinnigen, die nicht lesen kann. Nunja, einmal mehr habe ich mir gesagt, dass das Kochen nach Blogs doch um so Vieles Zuverlässiger ist! Einen schönen dritten (!!!) Advent euch! Herzlich, Hannah
Liebe Hannah – aaach ja, diese elenden Situationen, in denen es Intuition gegen Rezept steht! Es gibt ja beides: Dass es trotz größter Zweifel klappt – oder dass man hinterher weiß, dass man, verdammt nochmal, hätte nachgeben müssen. Und was Blogs angeht: Auch da gibt’s so ‘ne und solche (z. B. Bloggerinnen, die im ersten Aufschlag essenzielle Zutaten oder Zubereitungsschritte vergessen. Ich schaue jetzt niiiiiemanden an… ?) – zum Glück ergänzt um zuverlässige Leser/innen :)!
Sehr herzlich zurück: Charlotte
Das ist jetzt schon die lustigste Adventskekse-Geschichte 2020 – einen dicken bisou dafür, Charlotte, ich habe gelacht und mich zuletzt über das Happy End mitgefreut! Ey, und die Stollenbäckerei wird völlig überbewertet (meins ists jedenfalls nicht 😉
Danke, Micha, das tröstet! Ich habe hier gerade nämlich den zweiten Fail produziert: In DEN Elisen das Mehl vergessen und flache, klebrige Flatschen produziert ?. Und ich wunderte mich noch, warum der Kerl beim Aufs-Blech-Bringen so fluchte… also: Auf zum nächsten Rettungseinsatz…
Herzlich: Charlotte
Deine Schreibe ist soooo gut, Charlotte, besser gehts nicht zum Morgenkaffee an einem freien UND kinderlosen Vormittag. Ich hab mich köstlich amüsiert :-))) Allein die Überschrift!!!
Alles Liebe dir! :-)))
Hach, Maria, ich werd’ rot… ?
Danke Dir!
Herzlich: Charlotte
Liebe Charlotte,
am schönsten fand ich in Deinem wunerbaren Bericht das kleine Wörtchen “büke” – kannst Du das bitte häufiger verwenden?
Viele Grüße und eine schöne Advents- und Weihnachtszeit,
Sabine
Liebe Sabine, wenn ich dafür nicht weiterhin Stollen versemmeln muss: gern ?! Im Ernst: Wie viel schöner ist der (ver-)”alte”(-te) Konjunktiv im Vergleich zu “backte” o. Ä.!
Herzlich: Charlotte