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Der Kletterindikator, oder: Neues von der Mischbrotfront

Dieses Gefühl, wenn das Gefühl viel zu schnell aus den Fingerspitzen schwindet. Wenn man merkt, wie die in Millisekunden immer weicher und schweißiger werden. Wenn die Unterarme anfangen zu zittern und die Unterschenkel auch und überhaupt nicht mehr viel fehlt zu „Aaarrgh!“ und einem satten Satz ins Seil – die Kletterer unter Euch werden das kennen. WENN es so kommt. Und nicht ganz anders, weil … – aber von vorn:

Der Kerl und ich klettern gemeinsam fast so lange wie wir uns kennen. Der Besuch in der Boulderhalle war eins unserer ersten Dates (wenn man das so nennen will) – und ich war nicht nur hochfasziniert von diesem Menschen, sondern vor allem auch vom Sport. Ein Sport (damals übrigens allenfalls halb so hip wie heute), bei dem es ausnahmsweise nicht ums Höherschnellerweiter geht, sondern um das Lösen von Problemen – Bewegungsproblemen. Suchtfaktor: enorm.
Irgendwann erweiterte sich der Radius in Richtung Fels, und allerspätestens da war klar: Das Klettern, der Kerl und ich – wir gehören zusammen, in welcher Konstellation auch immer.

Denn die Konstellationen änderten sich: Im Norden stand die Boulderei dank exzellenter Halle hoch im Kurs, am Wochenende ergänzt um Tagesausflüge gen Harz und Ith. Hier im Süden ist es genau umgekehrt: In Radelreichweite befinden sich fünf geeignete Kletterspots, mit dem Auto nahezu beliebig erweiterbar – gebouldert wird nur bei langanhaltendem Regen. Und irgendwo dazwischen liegt das Problem.

Fernbeziehung über sechs Stunden Bahnfahrt pro Strecke, stark schwankende Zufriedenheit im Job, unsichere Perspektive in general: Wenn mich das Leben 1.0 nervt und Nerven kostet, merken das die umliegenden Bereiche sofort. Ich bin reizbar, unausgeglichen – und viel zu nah am mitten im Wasser gebaut. Für den Fels? GANZ schlechte Voraussetzungen.

Aus einer stinknormalen Klettersituation mit miesen Griffen, keinen Tritten und notorisch zu wenig Wumms inne Arme (s. o.) wird da sofort ein Riesendrama („Was-für-ein-Scheiß-was-für-ein-Sport-was-für-ein-riesengroßer-Wahnsinn!“). Zum Sturz ins Seil kommt es gar nicht erst, weil ich meilenweit vorher „ZU!“ brülle und mich vor Wut und Angst und Enttäuschung heulend ablassen lasse. Ungeil.

Die Lust, überhaupt loszuziehen, hält sich unter solchen Vorzeichen in überschaubaren Grenzen – sehr zum Leidwesen des Kerls, der Nerven hat wie Stahlseile (… wir ergänzen uns so gut!) und grundsätzlich immer klettern mag. Wenn ich die Sache dann auch noch genauso grundsätzlich infrage stelle („Scheiß-Sport!“, s. o.), hängt irgendwann der Haussegen schief (Wir ergänzen uns … oh, kaputt.).

Der Kerl, das alte Elefantenhirn, weiß eben noch, dass da mal richtig viel Begeisterung war – und ist so freundlich, mich daran zu erinnern. Was ich in solchen Momenten natürlich unbedingt hören will, the struggle is schließlich überhaupt nicht real.

In einem dieser hochexplosiven Augenblicke hat der Mann auch noch einen Blick auf die Langzweitmessung „Kletterenthusiasmus“ geworfen und eine erstaunliche Korrelation entdeckt: Die Sache mit den Nerven und der Kletterlust – die hängt zusammen! Je ausgeglichener das Milchmädchen, desto lieber fährt es mit an die Wand. Je mehr Federn es anderswo gelassen hat, desto besser… genau.

Und um diese lange, LANGE Geschichte in Richtung Pointe zu lenken: Das Brot, das ich hier virtuell schmiere, ist ein Kletterbrot. Weil die hiesigen Hotspots eben in Radelreichweite liegen, kann man auch nach Feierabend noch hin. Man braucht dann bloß was zu essen – etwas wie Stullen.

Und für Stullen braucht es Brot und das backe ich gerade wieder und wieder und wieder. Weil wir wieder und wieder und wieder am Fels sind. Abends. Nach Dienstschluss. Und ich es gottverdammtnochmal genieße!

Was das für den derzeitigen Beziehungsstatus bedeutet… ?

Ich sage: Kletterindikator, und: ?

Roggenvollkornmischbrot 60/40 nach Lutz Geißler

TA 197
Ruhezeiten: 17,5 Stunden

Gericht Brot & Brötchen
Vorbereitungszeit 25 Minuten
Zubereitungszeit 45 Minuten
Arbeitszeit 1 Stunde 10 Minuten
Portionen 1 Kastenform (20 cm)

ZUTATEN

SAUERTEIG

  • 150 g Roggenvollkornmehl
  • 150 g Wasser 45°C
  • 30 g Anstellgut
  • 3 g Salz

BRÜHSTÜCK

  • 38 g Weizenschrot mittelgrob
  • 92 g Wasser kochend
  • 4,5 g Salz

HAUPTTEIG

  • Sauerteig
  • Brühstück
  • 60 g Roggenvollkornmehl
  • 112 g Weizenvollkornmehl
  • 110 g Wasser 60°C

SO GEHT'S

  1. Die Sauerteigzutaten verrühren und 12 – 16 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.
  2. Für das Brühstück Schrot mit Salz mischen und mit kochendem Wasser überbrühen. Abgedeckt abkühlen lassen, ggf. im Kühlschrank (ich: Raumtemperatur).
  3. Am Backtag Sauerteig, Mehle, Brühstück und warmes Wasser in die Rührschüssel eines Kneters geben (Achtung: das warme Wasser sollte nicht direkt mit dem Sauerteig in Berührung kommen, weshalb Lutz umgekehrt schichtet). 15 Minuten auf niedrigster Stufe mischen und weitere zwei Minuten auf zweiter Stufe zu einem weichen, aber bindigen Teig kneten.
  4. Lutz lässt den Teig 60 Minuten bei Raumtemperatur nachquellen, ich habe ihn jeweils gleich in eine mit Backpapier ausgekleidete kleine Kastenform (20 cm) gefüllt, mit einem feuchten Teigspatel glatt gestrichen und reifen lassen, bis er den Rand der Form knapp erreicht hatte (ca. 90 Minuten).
  5. Zwischendurch Ofen auf 250°C Ober-Unterhitze vorheizen. Brot unter Schwaden fallend auf 200°C ca. 45 Minuten backen (Klopftest). Vor dem Anschneiden vollständig auskühlen lassen.

NOTIZEN

nach Plötzblog

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CategoriesAllgemein
  1. Susanna says:

    Das Milchmaedchen spricht mir mal wieder aus der Seele: Backen ist wahrlich Medizin! Auch meine einzig lebensnotwendige dieser Tage, vielleicht sogar mehr als mir lieb ist. Aber wenn alles um mich herum Kraft und Nerven kostet, Backen gibt es mir doppelt zurück Nahrung für Leib und Seele. Mit einer guten Brotbackfrequenz glaub ich auch ich Berge bezwingen zu können, und das obwohl ich doch gar nicht klettern kann ;))

    1. Die Bäckerei ist hier eher Nebenwirkung: Normalerweise essen wir abends warm und mittags das, was die Arbeitsumgebung hergibt, weshalb der Bedarf an Brot ohne die Kletterei eher übersichtlich wäre. Mit plus/minus zweimal pro Woche am Fels allerdings: GANZ anderer Schnack :)!

      Dir wünsche ich alle Kraft die Du brauchst – und ganz viel Zeit am Ofen!

      Herzlichste Grüße gen Hauptstadt!

      1. Susanna says:

        Danke, und da ging wohl die Backeuphorie mit mir durch *grins…aber wenn sie dir auch nur als Mittel zum Zweck zu mehr Kletterspaß und Ausgleich verhilft, freu ich mich sehr gern mit :))

        1. Das Schöne an der Bäckerei – Du weißt das viel besser als ich – ist ja, dass sie beides ist und kann: Zweck sein und wunderbare Nebenwirkung :)! Und: JAU, der Spaß ist es allemal wert!

  2. Linda says:

    Alles hab ich falsch gemacht…und trotzdem schmeckt’s geil…sogar dem Mann. 🙂 Hab normales Roggenmehl statt Vollkorn genommen, weils halt da war. Sauerteig morgens gemacht, wollte abends backen, damit ich lecker Frühstück habe….hab’s einfach vergessen, also musste Mr. Sauerteig im Kühlschrank übernachten. Beim Backen den Teil mit dem “fallend” vergessen und erst nach 20 min auf 200° runtergestellt…das war der beste Fehler! Schöne dunkle Kruste, wie ich sie liebe. Das Brot hat alles überlebt und schmeckt echt klasse. Nur innen ist es ein kleines bisschen zu feucht, was wohl von der Mehltauscherei kommt. Das werd ich noch für mich anpassen 🙂 Aber es zeigt mal wieder, dass man sich nicht sklavisch an alles halten muss und trotzem was essbares bei rauskommt , yay!

  3. Christina Jaensch says:

    Liebe Charlotte!
    Hier herrscht mal wieder “Lockdown-Sauerteig-Euphorie”. 😉
    Dieses Brot wird nun nach diversen Brötchen, dem 4 Std Brot und dem Pain Bordelaise ausprobiert. Da mein Sauerteig schon viele “Kinder” bei Freunden hat, empfehle ich Deine Seite immer weiter.
    Mach weiter so!
    Viele liebe Grüße,
    Christina

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